Bibliothek  Graue Texte

Ihr seid nun schon sehr tief in die Höhle eingedrungen, Tageslicht erreicht euch längst nicht mehr und es scheint euch eine Ewigkeit her zu sein, dass Ihr das sanfte Rauschen von Wind gehört hat. Hier ist es so stickig wie ... ähhh .... Mist, schon wieder in der Zeile verrutscht ...

Zu den schwierigsten Aufgaben des Meisters gehört es, im rechten Moment die richtige Spannung zu erzeugen, was umso schwieriger wird, je mehr blöde Witze die Heldengruppe von sich gibt. Aber nicht nur die Einwürfe der Spieler, sondern auch meine eigene Konzentration bereiten mir den größten Hemmschuh wenn es darum geht, stimmungsvoll Texte ins Spiel einzustreuen, die in genau dem Moment angebracht sind.

DSA- Abenteuer sind schon seit langem bemüht, es den Meistern so einfach wie möglich zu machen, dies gilt insbesondere für die offiziellen als auch für zahlreiche freie, die es auch unerfahrenen Meistern ermöglichen Atmosphäre am Spieltisch zu erzeugen, indem ausformulierte Texte zum Vorlesen angeboten werden. Ich finde dies ist eine der typischen Vorteile von DSA, die es gerade für Anfänger so interessant machen. Die Abschnitte "Allgemeine Informationen", bzw. die grau unterlegten Texte in neueren Publikationen sprechen direkt die Spieler/Helden an und können im Prinzip eins zu eins weitergegeben werden.

Wer allerdings schon einige Runden (als Meister) hinter sich hat wird gemerkt haben, dass auch bei noch so gut ausformulierten Abenteuern mit Hinweisen auf zig Möglichkeiten, welche die Helden ausprobieren könnten, doch immer wieder Situationen auftreten, die so nicht geplant waren. Die wichtigste Eigenschaft des Meisters, die Improvisationsgabe, ist auch in diesem Fall nicht verzichtbar.

Treten solche Situationen auf, sind gerade die ausformulierten Texte ein Hemmschuh, die sich kaum flexibel "mal eben" an die geänderte Situation anpassen lassen, wenn man sie denn einfach nur vorliest. Hat man dann einmal die nicht mehr passenden Originalfacts vorgelesen wird wohl kein Spieler, der halbwegs am Spiel interessiert ist an seinem Meister den Maßstab "gesagt - getan" anlegen, doch die Atmosphäre ist in diesem Fall wohl erst mal hops gegangen. Nur dumme Gags sind noch tödlicher für die Stimmung als ein "Ne, halt, warte mal ..."

Die Lösung ist, obwohl die "grauen Texte" aufs Vorlesen optimiert wurden, dies nicht direkt zu nutzen, sondern lieber inhaltlich nachzuerzählen. Dazu ist notwendig sie ganz gut zu kennen, was eine intensivere Vorbereitung bedeutet. Stichpunkte am Rand der grauen Texte sind da hilfreich, auch um Sinnabschnitte zu formulieren, die dann einzeln weitergegeben werden können, um Spaghettiblöcke zu vermeiden, die viel an inaktiver Aufmerksamkeit von den Spielern verlangen. Dadurch ist es nicht nur möglich den Spielern mehr Gelegenheit zum handeln zu geben oder Fragen zu stellen so dass der ganze Vorlese-Abschnitt im Endeffekt in einen Dialog umgewandelt wird, der für die Spieler interessanter und lebendiger ist, sondern auch, je nach Situation Spezielle und Allgemeine Informationen zu mischen, das heißt zum Beispiel, dass die Helden je nach Art und Weise, wie sie einen Raum betreten nicht alle allgemeine Informationen erhalten, dafür aber vielleicht schon Einblick in manche spezielle bekommen. Auch gibt es Gelegenheit, weitere zusätzliche Infos einzustreuen, um zum Beispiel etwas darauf herum zureiten, wenn sich Tosca, die Gauklerin, ganz besonders vor den im Originaltext nur am Rand erwähnten Spinnen ekelt.

Fazit: Graue Texte, obwohl im Hinblick aufs Vorlesen geschrieben, sind nicht zwangläufig geeignet eins zu eins an die Spieler weitergegeben zu werden. Rollenspieltypische Improvisationen werden durch solche Texte eingeschränkt. Daher sollte ein Meister idealer weise den Inhalt auch ohne Vorlesen weiter geben können was eine flexible Reaktion auf unterschiedliche Situationen ermöglicht.

Oliver Eickenberg

Seitenanfang Zurück Zurück zur HomepageZurück zur Bibliothek